Saturday, October 8, 2011

Warum Foren eigentlich nicht funktionieren können

Warum das Fachforum nicht funktioniert

Fachleute verfügen über reichhaltiges Themenwissen, haben eine hohe Problemlösungskompetenz und diskutieren folglich auf einem anderen Niveau. Oft reicht es Ihnen, eine Frage zu stellen, um sich kurz darauf (sozusagen im inneren Dialog) selbst die Antwort zu geben oder nur einfach durch andere Nutzer bestärkt oder bestätigt zu werden.

Fachleute kommunizieren auf abstrakter Ebene (Fachbegriffe, Patterns, Voraussetzen von Wissen), knapp und effektiv. Kurz: Ein Fachforum wäre sicher nicht das rauschende Board.

Eine hohe Update-Frequenz ist allerdings mehr oder weniger Voraussetzung für eine stete Beteiligung. Nach drei Wochen mal 'ne Antwort ist in der schnelllebigen Netzwelt nicht wirklich sinnvoll. Da greift der Fragesteller dann vermutlich gleich auf andere Möglichkeiten seines persönlichen Netzwerks zurück.

Warum das Fachforum nicht funktioniert II

Kurz: Weil freies Wissen immer auch Menschen anzieht, die davon profitieren wollen: fürgemein Einsteiger, mit der Ansicht, dass ihre Frage eigentlich „nur ein Klacks“ ist, die „ein Experte doch schnell hinbekommen müsste“. Um ein echtes Fachforum zu führen, müsste an der Pforte eigentlich ein Grundlagentest stehen oder ein Moderator mit eiserner Hand alle Anfänger rigoros rausschmeißen. Aus Sicht der Ausgeschlossenen wäre dies natürlich arrogantes Elitengehabe.

Warum das gemischte Forum nicht funktioniert

Hier trifft sich der worst case. Hauptschulanspruch trifft auf Hochschuldidaktik, 10-min-Google-Kompetenz auf 15 Jahre Berufserfahrung, Bastellösung auf Architekturdiskussion. Ein Anfänger kann sich nicht in kürzester Zeit Fach- und Praxiswissen aus Jahren Arbeit aneignen. Er kann aber auch nicht erwarten, dass ihm dieses Wissen in kürzester Zeit verständlich vermittelt wird. Dem Fragenden fehlt also das Grundverständnis und der Antwortende fängt bei jedem Problem bei Null an. Ein großes Problem ist hier auch das Unvermögen von Anfängern, Problem, Fragestellung, Antworten und existierende Lösungen aufeinander abbilden zu können. Dies führt zu unverständlichen Fragen, Nichtwissen um das Wesen des eigenen Problems. Forensuchen nach ähnlichen Problemen beschränken sich auf bekannte Stichwörter und Antworten scheinen nicht ausreichend auf das eigene Problem zu passen.

Resultat ist, dass jede „Expertenantwort“ letztlich eine Individuallösung für das Gesamtproblem darstellt („das ist jetzt zu komplex, um das im einzelnen zu erklären“) oder der diaktische Aufwand für eine systematische Herleitung der Lösung in unverhältnismäßigem Aufwand dazu steht.

Warum das Einsteigerforum nicht funktioniert

Wie wär's statt Fachforum mit einem Einsteigerforum? Für die Fragesteller ist das das Optimum. Genau genommen ist das ein Support-System: Idioten - liebevoll auch DAU genannt - fragen Experten. Mit der Ausnahme, dass in einem Support-System die Experten dafür bezahlt werden, sich den ganzen Tag mit der Unzulänglichkeit seiner Klientel herumzuschlagen. Für Fachleute ohne ausgeprägten Hang zur Selbstgeißelung dürfte die Wissenvermittlung in einem Einsteigerforum schnell zur langweiligsten Arbeit der Welt verkommen.

Warum das Einsteiger-für-Einsteiger-Forum nicht funktioniert

Das ist doch ne Idee? Nun - nicht wirklich. Am Anfang steht das Problem. Und gerade Einsteiger haben viele Fragen. So stellt sich schnell die Frage, wer antwortet, wenn alle dringende Fragen haben? Als nächstes entscheidet die Motivation. Fragen beantworten und anderen zu helfen macht Spaß. Allerdings nur, wenn man auch helfen kann. Damit kommen wir zum Kernpunkt: Kompetenz. Auch Einsteiger haben Praxiswissen - aus genau den Bereichen, die sie (vielleicht mit Hilfe) selbst gelöst haben. Leider heißt eine Lösung zu haben nicht automatisch, sie verstanden zu haben noch sie vermitteln zu können. Gerade Einsteiger haben anfangs kaum eine andere Wahl, als Dinge als gegeben hinnehmen zu müssen, ohne zu verstehen, warum etwas so sein muss. Erst Erfahrung und thematisches Hintergrundwissen formt ein Bild für „das große Ganze“. Was also vermittelt würde ist „Du kannst ja mal xy versuchen, bei mir hat das funktioniert. Frag mich aber nicht, wieso“. Setzt man das jetzt in Relation mit den Wissenslücken des Fragenden und seiner wahrscheinlichen Unfähigkeit, die Antwort auf die eigene Frage zu abstrahieren, ergibt sich ein Plauderforum aller erster Güte, in dem schnell die Wortschlangen und Zählthreads die eigentliche Beschäftigung werden.

Und wo bleibt die Mittelschicht?

Gute Frage. Nach meiner Erfahrung steigt sie irgendwann zu den Powerusern auf oder kommt nur alle Jubeljahre mal mit einem eigenen Problem vorbei.
Poweruser sind nicht zwingend Experten, haben aber ein Gespür für das Verhalten im Forum, vielleicht auch, welche Antworten anderen weiterhelfen oder wo im Forum bestimmte Hinweise zu finden sind. Eine starke Forenmittelschicht belebt und entlastet die Community, auch durch die Persönlichkeit der dahinter stehenden Nutzer. Sie hat ein anderes Verständnis für die Einsteiger, wie für den Forenalltag gleichermaßen. Sie weiß, wieviel Aufwand die Beantwortung einer Frage bereiten kann und wie kompliziert sich eine Diskussion entwickeln. Eine breite Mittelschicht entsteht aber auch nur aus zufriedenen Foreneinsteigern, aus einem interessanten und spannungsfreien Forenalltag. Und bedingt diesen gleichermaßen - ach es ist zum Haare raufen :)

Warum Foren eigentlich nicht funktionieren können…


… und es trotzdem tun

Weil sich täglich eine kleine Anzahl von Menschen für die Befindlichkeiten und Probleme vieler anderer aufreibt. Und sich eben im Falle des Falles auch mal Luft macht. Wer das als Foreneinsteiger nicht verknusen kann, wer Regeln für anmaßend und kostenlose Hilfe für selbstverständlich hält, der sollte sich in einer stillen Minute mal fragen, mit welchem Anspruch er auf das Expertenwissen einer breiten Community zurückgreifen will, ohne selbst auch nur einen Funken Energie investiert zu haben.

Wissenserwerb, praktische Erfahrung, Problemlösungskompetenz, didaktische und intersoziale Fähigkeiten - all das fordert Zeit, Muße, Willen und Energie als Tribut ein. Energie, die Ihr, liebe Einsteiger, noch nicht investiert habt!

Fazit

Also, liebe Newbies und Neueinsteiger - etwas mehr Demut bitte!

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